F, ich und das Y-Chromosom

Du tust nun etwas, liebe F., was mir ganz und gar gegen den Strich geht: Du hebst die einen aufs Podest… Ich weiss grad nicht. Magst Du Dich erinnern? «Du bist so, wie Du bist. Du bist wunderbar.» – Du schreibst nun: «Er ist ja schliesslich schon ziemlich bekannt…», und: «Ich glaube nicht, dass dies A. goutiert». Ich sehe die Logik nicht in Deiner Begründung. Mag er es, mag er es nicht, ist doch die Frage.

Vorweg: Ich akzeptiere Deine Haltung. Deine Werte. Deine Entscheidung, wie auch immer diese ausfallen mag. Ich nehme Dich ernst. Immer. Auch jetzt.

Zurück zum Objekt der Begierde.

Ich habe Dich darum gebeten, von A. und K. («eine sehr gute Kollegin») ein Bild zu machen und dies auf der Website zu publizieren. Du kannst dies ja selbständig tun; unsere Kulturtechnik, hatten wir erst noch gesagt …

L. bringt übrigens in Sternstunde Philosophie den “Selbstmord” des Bruders, wie er betont, auch in Zusammenhang mit der Kulturtechnik

Ich habe auch damit einen inneren Konflikt, auch das geht mir gegen den Strich! Kultur ist Schöpfung. Selbstmord beendet die Schöpfung, ultimativ.

Ich lese grad: «Kulturtechniken sind kulturelle und technische Konzepte zur Bewältigung von Problemen in unterschiedlichen Lebenssituationen… bei der Entwicklung von Kulturtechniken handelt es sich nicht um Leistungen von Einzelpersonen, sondern um Gruppenleistungen, die in einem soziokulturellen Kontext entstehen.»

A. ist «schon ziemlich bekannt». Ich habe nie etwas anderes behauptet. Darf man sie nicht zusammen sehen? Will er, «ziemlich bekannt», nicht auf unserer Website gesehen werden? Ist die Website zu wenig «ziemlich bekannt»? Oder will er sich auf keinen Fall nur schwarzweiss abbilden lassen (das wäre doch ganz gegen den Trend)? Ich suche nach guten Gründen, weil ich nicht nur Dich verstehen will.

Wer eine Diagnose hat, hat ein Problem. Ich will es lösen, mein Problem, und wenn auch nur mein Verständnisproblem. Für den Rest gibt es das Medikament, sagen sie. Ja, ich habe geschlafen. Ich schreibe nicht morgens um vier, ich schreibe jetzt am Tag, um vier. Geht doch, denke ich jetzt …

Um fünf nehme ich den Zug nach St. Gallen. Lesung und Diskussion mit D., Autor von “Der Hund mit dem Frisbee”. D. erzählt, wie er nach einem Suizidversuch wieder zurück ins Leben fand, nachdem ihn seine Karriere in die Depression abgleiten liess. Er engagiert sich für einen offenen Umgang mit psychischen Beeinträchtigungen in unserer Gesellschaft und gegen die Stigmatisierung von Betroffenen.

Werde ich stigmatisiert? «Ich glaube nicht, dass dies A. goutiert» heisst, er will sich nicht sehen im Zusammenhang mit einem Problem, mit meinem Problem? Oder geht es darum: «Depressive Menschen sind extreme Egoisten. Alles dreht sich nur um sie! Damals, vor zwei Jahren war ich sehr erstaunt über diese Aussage. Mittlerweile finde ich, die Nachbarin hat recht. Auf eine gewisse Art. Immer dieses ICH wird nicht verstanden. ICH will, dass man mir zuhört, mich versteht. Eigentlich eine gewisse Arroganz.» – Nun, bin ICH arrogant? Bin ICH masslos?

«Was ist denn dein Herzenswunsch?», schreibst Du. Gerade dies ist jetzt, hier und heute mein Herzenswunsch. Morgen wird es ein anderer sein. Vielleicht Dein Lachen als Geschenk zum Geburtstag. Ich weiss es nicht. Ich weiss nur: Ich will es lösen, das Problem, wenn auch nur das Verständnisproblem.

«Nutze die Krise! Sei produktiv!» schreibst Du. «Ich hab einmal einen interessanten Text von einem Schriftsteller über Depressionen gelesen …»

«…respektive, dass du mir gegenüber etwas zu obsessiv eingestellt bist.»

«Wünsch Dir einen schönen Abend!»

Dies wünsche ich Euch auch! Und morgen möchte ich im Kaufleuten die Taufe des neuen Romans von L. besuchen – ja, das schenke ich mir.  ▬

 


Was ich noch erwähnen wollte…

Auf dem Heimweg setzt sich H. ins gleiche Abteil, er grüsst verhalten. Zum Kollegen sagt er nur: «Mir spielt es keine Rolle.»

Er hatte mich aus der KuKo ausgeschlossen, weil mich die Präsidentin nicht riechen konnte. Und mich hatte es in eins dieser Löcher gestossen.

Du hast geschrieben: «Umarmung»

Ich schreibe Dir: «Dieses eine Wort, Umarmung, ist das grösste und innigste Geschenk, das Du mir jetzt machen konntest! Ich danke Dir.»